Schreiben für die Psychohygiene, um Gutes & Schlechtes loszulassen

Wir kennen das Schreiben als Methode zu einem reflektierten Verarbeiten von persönlichen Lebensthemen, Krisen, Schwierigkeiten aller Art, Ängsten, sowie Krankheiten vom Tagebuchschreiben. Es ist ein ganz individueller Lösungsansatz, sozusagen Schreiben für die Psychohygiene, der überall anwendbar ist und zu einem gesunden Umgang mit dem individuellen Alltag führen kann.

Doch nicht nur bei Belastungen kann es Symptome wie Angst lindern. Es ist gleichzeitig eine Strmategie, um Erlebtes festzuhalten und als Weitergabe an folgende Generationen bereitzustellen. Aber auch eine Schwangerschaft bis hin zur Geburt des Kindes kann als Buch der Erinnerungen an jene Zeit als wundervolle Idee verschriftlicht werden.

 

Schreiben für die Psychohygiene: Spiegel unseres Lebens

schreiben-für-die-psychohygieneOb als Tagebuch, Blog, Buch, Artikel, Gedicht, Kurzgeschichte, längere Geschichte, Drama, Lied, Drehbuch oder in Form von Facebook Posts: Ein autobiografisches Werk lässt sich als Spiegel unserer Gefühlswelten und Ich-Perspektiven verwenden.

  • Was haben wir erlebt?
  • Was sind/waren die guten Erfahrungen, die uns prägten?
  • Worauf sind wir stolz?
  • Woran haben wir noch heute zu knabbern?
  • Was wurde/konnte nicht oder nur schwer verarbeitet werden?
  • Welche Rolle(n) leben wir vorwiegend? Welche nicht?
  • Welche Denkmuster und Glaubensansätze finden sich in unserem Leben?
  • Welche verschütteten Erinnerungen blockieren unser Leben im Jetzt?

Schreiben kann helfen,

  1. Sprach- und Lesefähigkeiten (besonders bei Kindern, Jugendlichen und Älteren) zu verbessern
  2. nicht länger nur verkopft zu leben, sondern mit Wahrnehmung und Integration deiner Gefühle (Nutzung beider Gehirnhälften)
  3. die Gehirnleistung zu stärken
  4. tiefere, objektive oder distanzierte Einsichten hervorzubringen
  5. Zugang zu dir selbst und zu anderen Menschen schaffen
  6. nicht gelebte Rollen zu erkennen und wieder in dein Leben zu integrieren
  7. einen Schlussstrich oder ein Fazit zu ziehen
  8. eine mögliche Lösung oder Lösungsansätze für ein „Problem“ zu erschaffen
  9. ein verborgenes, unbewusstes Wissen hervorzubringen
  10. eine bereits unbewusst gefällte Entscheidung zu erkennen
  11. hartnäckige oder verdrängte Gefühle zu lockern
  12. Kummer und Trauer, Enttäuschung und Wut auszudrücken und zu verarbeiten
  13. Glücksmomente, Freude und Erfolg in kleinen und großen Schritten festzuhalten
  14. Ängste und Sorgen „raus“zuschreiben und auch
  15. Panik zu lösen sowie 
  16. körperliche Erkrankungen zu verarbeiten.

Mit allen Gefühlen, die in uns herumschwappen, die dich nachts nicht einschlafen lassen oder am Morgen wieder rufen, wie kleine Quälgeister oder angsteinflößende Poltergeister, kann man im Schreiben bearbeiten. Das erleichtert nicht nur ihr Dasein, sondern auch das Leben mit ihnen. Es schafft vor allem im Sinne des künstlerischen Prozesses ein wahres Wohlgefühl, wenn das Produkt fertiggestellt ist. Ein individueller Text, auf den man stolz sein kann.

Wer auch in „guten Zeiten“ geschrieben hat, wird immer die Möglichkeit haben, sich in „schlechten Zeiten“ seine Werke anzusehen. Es dient als Erinnerung daran, dass sich die Welt immer weiterdrehen wird und alles Negative irgendwann wieder vorbeigeht: „Zeit heilt“, Schreiben hilft dabei. Irgendwann verblassen bei jedem Menschen die negativen Gefühle in Bezug auf einen Umstand, eine Person. Anpassungsschwierigkeiten oder abrupte Vorkommnisse, Krisen und Krankheiten können mittels Schreiben aktiver bewältigt werden.

Wer sollte schreiben?

Jeder. Jeder kann und sollte Schreiben als Selbstanalyse- und Selbstcoachinginstrument so oft wie möglich nutzen. Wir leben in einer zu hektischen und zu unsicheren, vor allem unberechenbaren, Welt. Unser Leben ist von Natur aus eine Waage zwischen positiven und negativen Geschehnissen. Mal überwiegt die eine Seite, mal die andere.

Viele haben in ihrer Kindheit Tagebuch geführt. Nur die wenigsten Menschen führen aber so ein Tagebuch im Erwachsenenalter weiter oder werden zu Autoren des Alltags, schreiben Gedichte/Geschichten oder malen, um ihrem Leben in diesen künstlerischen und gar publizistischem Sinne Ausdruck zu verleihen. Das ist sehr schade und für die Persönlichkeit, das Seelenwohl, kontraproduktiv. Jeder hat heute auf seine eigene Weise in einem oder mehreren Lebensbereichen zu „funktionieren“. Hol das Tagebuch wieder hervor, denn

  • dir einen eigenen Raum, in dem du so sein kannst, wie du wirklich bist, zu schaffen und
  • ihn dir in allen Lebenslagen zu erhalten
  • die nicht gelebten oder unausgesprochenen Gefühle in diesem Raum auszudrücken
  • ja, deine Form der Kunst daraus zu machen,

kann Stress-Ängsten entgegenwirken und Erleichterung schaffen, besonders in Zeiten, in denen du dich hilflos und beschwert fühlst.

Doch: Man muss keine schwierige Phase haben oder gar krank sein, um Schreiben für sich zu nutzen. Schreiben ist für jeden, der sich schriftlich besser ausdrücken kann oder sich eher traut, auf dem Papier so zu sein, wie er wirklich ist. Schreiben ist ein Werkzeug, um sich besser kennenzulernen und zu reflektieren, auszuleben. Man kann es ebenfalls als Schreibcoachinginstrument nutzen und so seine persönlichen Ziele, Träume, Wünsche, Sehnsüchte, und dem Umgang damit, Form annehmen lassen oder formgelöst zu leben.

Schreiben für die Psychohygiene: Aber was und wie soll ich am besten schreiben?

Ich stehe fest zu meiner Überzeugung, dass jeder schreiben kann, ob mit oder ohne Gattung und Genre. In meinen Augen hat jeder die Gefühlskapazität und das kreative Potenzial, um sich schriftlich neu zu entdecken und neu zu erfinden. Es gibt kein „richtig“, kein „falsch“, keine Bewertungen im Sinne der Ästhetik. Also keine falsche Scheu. Im Herzen sind wir alle Schriftsteller. Ob wir das Geschriebene dann eher in Musik verwandeln, im Theater aufführen, tanzen oder unterrichten, unser Herz für den Erfolg anderer schlägt und unser kreatives Potenzial in Beratungen und Geschäftskorrespondenz fließt: Heutzutage schreibt jeder Mensch, nur schreiben wir alle auf unsere eigene Art und Weise.

 

Deine Gedanken, Fragen und Antworten: Ausgangslage und Ideenfindung

Wer literarische Selbstanalyse für sich nutzen möchte, muss sich natürlich im Klaren sein, was er schreiberisch verarbeiten möchte. Das kann etwas Erfreuliches wie beispielweise die Geburt eines Kindes sein, die Geschichte eines Ehepaares oder die ersten turbulenten Jahre deines Hundes.

Auch traurige Umstände wie der Verlust eines geliebten Menschens, Probleme im Job, Trennungen, Kündigungen, Feststecken in scheinbar auswegslosen Situationen, gehemmte Gefühle, Angst vor der Zukunft bis hin zu psychischen Störungen, dienen als Stoff für literarische Verwirklichungen. Auch für ältere Menschen, die ihre Lebensgeschichte, vielleicht auch mit und für Angehörige/n, verschriftlichen möchten, ist literarisches Schreiben ebenfalls eine gute Wahl.

Gattung und Genre

Hat man erst einmal das Thema gefunden, kann man sich bezüglich der Gattung und des Genres entscheiden. Hier gibt es keine Mauern: Märchen, Gedichte, Kurzgeschichten, Drehbücher, Theaterstücke, Berichte, Haikus, Sonette, Lieder oder Kollagen aus Malerei und Text…

Die entsprechenden Regeln und Stilmittel findet man schnell und leicht im Internet, insofern man währenddessen oder am Schluss der Schreiberfahrung den Text um die Form erweitern möchte. Es gibt ebenfalls Gattungen und Genres, die sich für einige Schreiber eher eignen als andere. Wer noch in der U-Bahn seine Gefühle verschriftlichen möchte, könnte eher ein Typ für Gedichte, Haikus oder freies Schreiben sein, als für Geschichten. Wer seine Geschichte lieber in eine umfangreichere Gattung bringen möchte, der ist mit Geschichten besser beraten. Auch die Menschen, die Beschreibungen und schriftliche Malereien wie man sie aus Prosa kennt, nicht verwirklichen möchten/können, dürfen sich in Theaterstücken und Drehbüchern, in denen weitestgehend nur Gesprochenes vorkommt, austoben.

Schon 1994 bestätigten klinische Studien des englischen Arztes Dr. Robin Philipp, dass Gedichte bei depressiven Verstimmungen, handfesten Depressionen und Angststörungen das Herz und die Seele der Betroffenen erleichtern. 75 Prozent der damaligen Studienteilnehmer fühlten sich durch das eigene Schreiben freier; 7 Prozent setzten durch Poesie ihre Antidepressiva und Medikamente ab. (Quelle)

Weshalb? Gedichte haben eine geordnete Struktur. Wer sich eher überlastet, überfordert, verwirrt, visionslos und schwimmend fühlt, kann in Gedichten eine Ordnung für seine Gedanken und Gefühle finden.

Schreiben für die Psychohygiene Übung 1: In jedem von uns lebt ein Monster

das-monster-in-uns_schreiben-fuer-die-psychohygieneKennst du dein Monster? Liebst du es oder verfluchst du es? Diskutierst du mit ihm oder lässt du ihm freien Lauf? Versteckst du es oder äußert es sich in Stresszeiten oder Angst? Schreib über ihn. Das Monster in uns bietet viel Stoff für kreative Projekte wie Gedichte, Geschichten, Lieder usw.:

  • Wie sieht dein Monster eigentlich aus?
  • Wie alt ist es?
  • Was hat es gern?
  • Wann rastet es völlig aus?
  • Isst es gern Käse oder mag es Schokolade?
  • Hat es Angst vor Hunden oder der Dunkelheit?
  • Ist es flauschig oder hat es einen rasierten Kopf?
  • Ist es eher klein oder riesengroß?
  • Hat es eine riesige, süße Kulleraugen oder kleine, fiese Augen?
  • Hat es Krallen anstatt Nägel oder Patschehände?
  • Hat es süße Ohren oder riesige Plattfüße?
  • Welche Filme und Sendungen sieht es gern im Fernsehen?
  • Wie ist der Name des Monsters?

Erfinde eine eigene Geschichte um dein Monster und schreibe über seine Geburt, seine Jugend, sein Leben, seine Träume und Wünsche. Viel Spaß beim Schreiben!

Quellen & unbedingte Leseempfehlungen:
Coach für Frauen und Männer bei Ängsten

Janett Menzel

Mentorin | Life & Love Design

Expertin für Bindungsangst und Kommunikation in Partnerschaften, Emanzipationswunden, transgenerationale Muster, Wer bin ich? Wer will ich sein? (Identitätsbildung), dysfunktionale Familien (Mutter- und Vaterwunden), Hochbegabung – Hochempathie – Kreativität & Angst, Trainerin für individuelle Meditationen und Tiefen-Entspannungstechniken. Anfragen und Beratungen >>

2 Kommentare

  1. Hi Janett, danke für den tollen Artikel, den ich direkt mal mit meinen Bloglesern teile! Die Studie über Gedichte und ihre Auswirkung auf Depressionen kannte ich noch gar nicht. Werde sicher wieder mal vorbei schauen :). Viele Grüße
    Paul

    Antworten
    • Sehr gern, Paul. Die besagte Studie fand ich nur durch Zufall, weil ich meine Magisterarbeit über Plath/Sexton und die Effekte zum Schreiben in Verbindung mit Depressionen, Angst und vielem mehr geschrieben hatte. Als ich neulich wegen der Veröffentlichung meiner Arbeit erneut recherchierte, gab es da diese zwei, fast unauffälligen Erwähnungen bei BBC. Wohl ein harter Schlag für die Pharmaindustrie, wenn heraus käme, dass wir Menschen wirklich alles in uns tragen, um uns selbst zu heilen.

      Liebe Grüße,
      Janett

      Antworten

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