Angst und Persönlichkeit: Welche Typen neigen zu Ängsten & psychischen Krankheiten?

 

Welche Persönlichkeit hast du? Oder anders ausgedrückt: Welcher Typ Mensch bist du? Das wäre interessant zu wissen, wenn du wiederholt oder gar chronisch unter Ängsten und/oder Angstzuständen mit/ohne Panikattacken leidest. Ich habe in den letzten Jahren viele Beobachtungen dazu machen dürfen und folgendes erkannt:

Es gibt bestimmte Typen Menschen, die eher anfällig sind für tiefe Angst: Introvertierte, Hochsensible, Hochbegabte, um nur einige zu nennen. Es ergibt sich aus ihren Persönlichkeitsmerkmalen, wobei ich jetzt nicht auf den BIG 5 (oder neu, 6) herumreiten und den Faktor Neurotizismus benennen werde. Die Menschentypen, die öfter als andere zu Ängsten neigten, hatten entweder besondere Begabungen oder ihre Begabungen brachten Besonderheiten mit sich. Vor allem brauchten ihre Begabungen zur Entfaltung besondere Lebensumstände.

Diese Typen möchte ich heute mit dir teilen, in der Hoffnung, dass du dich darin erkennst und so ein Stück in deiner Heilung vorwärts kommst:

 

Diese Persönlichkeitstypen neigen zu Angst, Angststörungen und anderen psychischen Erkrankungen

angststörungen menschen typen

 

Leistungsträger im Beruf

Menschen mit hoher Verantwortung, die stets beste Ergebnisse erbringen müssen, bei denen Fehler fatal wären, die u. a. eine Personalverantwortung innehaben, aber auch Lebensretter-Berufe und soziale Berufe, sowie solche, die stets eine hohe nötige Empathie erfordern, z. B. Berufe, in denen man viel zuhören muss. Oft besteht da ein großes Ungleichgewicht im Geben-Nehmen; Menschen müssen sich zurücknehmen und ihre Bedürfnisse hinten anstellen. Ihre Bedürfnisse sind oft unerfüllt/unausgedrückt, insofern sie sie nicht anderweitig erfüllen.

 

Leistungsträger in Familie/Partnerschaft

Menschen mit den oben genannten Aufgaben/Pflichten sowie finanzieller Verantwortung, erzieherischer Aufgabe der Kinder, Haushalt/Beruf/Familie-Verantwortung, frisch gebackene Mütter: hormonelle Lage nach Geburt, wenig Schlaf, Versagensangst (besonders Studierende), Perfektionismus, Überforderung, Angst vor Selbstverlust. Frauen allgemein fühlen sich beherrscht von HORMONEN vor und während und nach der Menstruation, einer inneren Hetze (Rushing Women-Syndrom) und dem Gefühl, man müsse sich zwischen Karriere und Familie entscheiden oder zwischen Weiblichkeit und männlichen Gebären.

 

Hochsensible und Hochsensitive

Menschen, denen Lautstärke und Licht, unangenehme Gerüche und Materialien, unangenehme Temperaturen Schwierigkeiten bereiten. Sie werden oft beherrscht von „hier stimmt doch was nicht“-Gefühlen und einer anderen Wahrnehmung. Laute Menschen, intensiv erlebte Gefühle auszudrücken oder nicht ausdrücken zu können/dürfen/sollen, Unverständnis von anderen bekommen, „nicht ins Umfeld passen“, ein anderes Tempo und Stressniveau haben als andere, eine geringe Frustrationstoleranz, ausgelaugt/leer sein nach Kontakt mit Menschen, sich regelmäßig auftanken müssen, in eigenen Welten schwelgen dürfen, Down-Stimmungen bei Ausgelaugtheit sind weitere Aspekte, die sie auszeichnen.

 

Hochbegabte

Mein Lieblingsthema als HB: Hier haben wir ein anderes, schnelles, verstärktes Denken ♥️ und automatisiertes Suchen/Herstellen von Sinnzusammenhängen wegen einer tiefen Abneigung gegenüber Sinnlosigkeit. Das viele Denken bedeutet oft zu wenig Bewegung auf der anderen Seite, aber auch Denkwut bis hin zum “Totdenken” einschließlich daraus entstehender Panikattacken/Angstzustände durch zu viel Gedankenleistung. Als Hochbegabte/r muss man lernen, das in den Griff zu bekommen. Auch Leistungswut (“rage to achieve”), (Angst vor) Langeweile (Bore-out) dominieren sie. Sie verlieren schnell das Interesse, wenn sie etwas gedanklich durchdrungen/erfasst haben. Wir finden zudem: Ungeduld, Drang zum Wachstum, Lernen, Weiterentwicklung, Verstehen/Hinterfragen (selbst höchste Leistungsträger) und deshalb soziale Schwierigkeiten, Alleinsein-Einsamkeit, Außenseiter-Status, Probleme, einen Partner zu finden sowie Probleme in der Partnerschaft, falls sich die Aspekte hochbegabter Gehirne als Beziehungskiller erweisen. Außerdem: fehlendes Verständnis anderer, keine/wenige Gleichgesinnte, sich nirgends aufgehoben/geborgen fühlen. Oft finden wir den sogenannten Underachiever-Modus, wenn auch eher bei Frauen: kleinbleiben sollen, zum Nichts-können-und-sollen erzogen sein, das Gefühl, nicht zu genügen, natürlich Perfektionismus, überkritisch (besserwisserisch erscheinen). Fehler machen uns wahninnig. Wir denken, statt zu fühlen, und Gefühle zu zeigen muss gelernt sein. Besonders bei Frauen sehe ich häufig heftige Selbstzweifel: einen all-or-nothing-Selbstwert.

>> Lesetipp: Panikattacken durch Hochbegabung

 

Introvertierte

Sie brauchen viel Rückzug und Zeiten für sich und wollen sich statt andere erleben. Ihre Anerkennung kommt von innen. Sie haben häufig einen kleineren Freundeskreis, erleben vielleicht Unverständnis von ihrem sozialem Umfeld, weil sie als “Alleingänger” erscheinen. Sie benötigen mehr Zeit für das Empfinden von Dingen, weil sie „richtig“ hineinspüren wollen und ja, damit weniger im Außen erleben wollen. Sie sind allgemeinhin selbstgenügsam(er), aber behalten oft Probleme für sich. Einsamkeit kennen die, die wenige Interessen haben oder sich wie ein Alien vorkommen, weil sie anders sind als andere.

>> Lesetipp: Introversion: Sind Introvertierte unsozial?

 

Hochempathen

Nicht jeder, der hochsensibel ist, ist automatisch hochempathisch, aber jeder, der hochempathisch ist, kennt Hochsensibilität.

Hochempathen fühlen zu viel von anderen und zu wenig von sich. Sie werden übermannt von Gefühlen anderer, wenn sie untrainiert sind. Weil sie wandelnde Lügendetektoren sind, haben manche als Folge ein großes Misstrauen in Menschen entwickelt. Sie leben nicht selten freiwillig in kleinen sozialen Umfeldern oder gar isoliert und sind beruflich oft selbstständig unterwegs. Sie haben Angst, zu verletzen, Trennungsangst, Bindungsangst, aus Angst, Spielball der Gefühle anderer zu werden – weil sie Mühe haben, sich abzugrenzen. Dabei können sie zum Schutz gut zurückschlagen (z. B. andere manipulieren für die eigene Ruhe). Sie sind leicht ablenkbar, wenn untrainiert sind, und oft Feuer und Flamme, wenn sie Ideen oder Menschen mögen – selbst oder besonders, wenn es nicht ihre eigenen Ideen sind. Sie meiden aber oft Menschenmengen und haben Schwierigkeiten, Nein zu sagen. Generell ist Ablehnung für sie keine Art, mit Menschen umzugehen, weswegen Rückzug oder andauernde Freundlichkeit für viele der Weg ist (bis sie gesunde Grenzen gelernt haben). Angstzustände unter Menschen (in Menschenmassen) und das Gefühl, nach Kontakt mit Menschen ausgelaugt/leer zu sein, kennen sie besser als andere.

>> Lesetipps:

Empathie: Wenn du Stress & Angst von anderen aufsaugst
Was ist ein Empath? Wie beschreiben sich Empathen selbst? (Zitate & Insights)
Das Gewissen der Empathen & der eine Mensch, den sie überwinden müssen

 

Kreative/Künstler

Als Autorin, leidenschaftliche Fotografin und Malerin fühle ich mit allen Künstlern und Kreativen, die unter Ängsten leiden. Wir erleben oft – besonders bei mangelnder Anerkennung – ein Außenseiter-Gefühl und das nicht nur, weil wir in Bildern/Tönen/Gerüchen/Farben/usw. denken. Unser Selbstausdruck ist kreativ (aus)gerichtet (wir ergießen uns in Ästhetik und unser Verständnis von Kunst), wo andere unter Menschen gehen und dort ausleben. Unsere Kunst soll konsumiert werden, sonst tut’s weh. Ignoranz, Kritik und Ablehnung sind für viele die persönliche Hölle, deshalb sind Selbstzweifel fast immer vorhanden, je nachdem, wie wir gelernt haben, damit umzugehen. Der all-or-nothing-Selbstwert („I must be crazy or a genius.“ – John Lennon) findet sich vermehrt unter Frauen. Viele Kreative/Künstler haben einen Hang zum Polarisieren und sind sehr direkt; nicht wenige können sich nur schwer ins System einordnen. Dort fühlen wir uns übersehen. Manche sind bereits so gesellschaftskritisch, dass sie das System selbst auf die eine oder andere Art ablehnen. Sind Kreative/Künstler einmal in die Selbstständigkeit gegangen, fällt es schwer, wieder zurückzugehen und zum Beispiel ganztags in einem normalen Unternehmen zu arbeiten: Unsere Kreativität will leben. Schaffenskrisen sind unser stiller Tod. Je nach Grad der erfahrenen Anerkennung leiden viele von uns an Selbstunterschätzung, während zumindest in unserem Schatten der (stille) Wunsch nach Ruhm lauert.

 

Wieso neigen manche Persönlichkeiten stärker zu Angstzuständen als andere?

Neben Selbstzweifeln, weil man „anders“ ist, empfinde ich Hineinpassen zu wollen als größtes Problem. Was ich zudem feststellte, war unser Durchhaltevermögen in unpassenden Umfeldern aller Art: im Job, in Beziehungen, Partnerschaften. Laut Psychologie wären die obigen Gruppen laut BIG 5 neurotischer, laut Riemanns Kategoriesierung der Ängste oftmals schizoider. So manchem mag ein solcher Stempel helfen. Ich persönlich meine, dass wir trotzdem individuell sind und sicher nicht nur eine Kategorie “erfüllen”. Vielleicht sind wir eher ein bunter Paradiesvogel, in dem noch so manche Stärke oder Begabung schlummert. Doch je mehr wir uns Mühe geben, irgendwo hineinzupassen, desto häufiger werden wir scheitern, wenn “dort” kein Platz für uns ist bzw. uns der Platz in unseren Gaben einschränkt oder gar unterwandert. Begabungen sind da, um ausgelebt zu werden, um andere (und uns selbst) zu bereichern. So zu tun, als wären wir “nicht so” oder “anders als wir sind”, bringt unseren Geist oftmals auf die Palme. Ich bin mir bis heute sicher, dass mich meine damaligen Panikattacken dazu aufrufen wollten, mit meiner Anpassung aufzuhören. Deshalb heißt mein Programm für Menschen mit Ängsten und Panikattacken auch “Hör auf!” (Deine Angst). Es macht eben Angst, wenn wir uns verstellen müssen, um dazuzugehören oder Anerkennung zu bekommen, um die Harmonie zu wahren oder im Job/der Beziehung zu bleiben.

Wie ist es bei dir? Kannst du etwas davon nachempfinden? Ich freue mich auf einen regen Austausch!

 

Coach für Frauen und Männer bei Ängsten

Janett Menzel

Mentorin | Life & Love Design

Expertin für Bindungsangst und Kommunikation in Partnerschaften, Emanzipationswunden, transgenerationale Muster, Wer bin ich? Wer will ich sein? (Identitätsbildung), dysfunktionale Familien (Mutter- und Vaterwunden), Hochbegabung – Hochempathie – Kreativität & Angst, Trainerin für individuelle Meditationen und Tiefen-Entspannungstechniken. Anfragen und Beratungen >>

2 Kommentare

  1. Hallo Janett,

    die Inhalte, die du hier so knapp wie treffend auf den Punkt bringst, triggern mich enorm, deshalb ein paar Zeilen an dich. Eine so gute Zusammenfassung dieses Schlamassels habe ich noch nie gefunden! Ein Schlamassel ist es meiner Ansicht nach deshalb, weil Betroffene darunter sehr leiden, zumindest so lange, bis sie ihre Anlagen als Gabe begreifen können – und das dauert erfahrungsgemäß lange, weil ihnen zuvor jahrzehntelang vermittelt wurde, sie seien „nicht normal“ und es würde mit ihnen etwas nicht stimmen.

    Leider haben Therapeuten keine Zeit, auf diese Dinge einzugehen und man muss sich das mühsam zusammensuchen und erlesen und steht damit allein auf weiter Flur. Danke dafür! Ein zärtlicher Trost!

    Ich weiß auch, dass es sehr viele Menschen gibt, auf die die eine oder andere Beschreibung zutrifft oder auch mehrere gleichzeitig. Trotzdem gibt es kein Bewusstsein (oder nur wenig) über diese Zusammenhänge. Wir leben in einer Welt der Gleichmacherei. Alle Menschen müssen (mit völlig verschiedenen Voraussetzungen) das Gleiche lernen und die Gleichen werden. Ein ökonomisches Prinzip. Wehe dem, der es wagt, hier seinen eigenen Weg zu gehen! Er wird ausgemustert. Von wem auch immer.
    Unser Bildungssystem erzieht uns bereits zu Soldaten, die sich ökonomisch ausbeuten lassen. Da bleibt kein Platz für all die vielen weiteren und wertvollen Fähigkeiten, die Menschen hervorbringen können. Sie sind der Ökonomie nicht nützlich. Der Nazismus ist und war ein totales Bekenntnis zu diesem Denksystem. Es kostet viel Mut, Energie und braucht viel Resilienz und Selbstwertgefühl, trotzdem zu sich zu stehen und andere Pfade zu beschreiten, als die, die einem aufgezeigt werden. Leider ist das nicht jedem gegeben. Wunderbar, dass ihr Menschen dabei unterstützt!

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    • Liebe Marie,

      danke für deinen Zuspruch! Wir freuen uns, dass dir der Artikel gefallen hat und wünschen dir alles Gute für deinen weiteren Weg!

      Herzlichst,
      Janett

      Antworten

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