ADHS-Symptome in den Wechseljahren: Warum entwickeln manche Frauen in der Perimenopause und Menopause plötzlich z. B. Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme, Sprachaussetzer und Prokrastination durch Überforderung, die an ADHS erinnern, und wie grenzt man echte ADHS von hormonell bedingten Folgen ab? Wieso verstärken sich die Symptome einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bis zur Menopause, ob die ADHS bereits diagnostiziert wurde oder erst in diesen Jahren „festgestellt“ wird? Das sind die Fragen, denen wir uns in diesem Artikel widmen – ausgehend von mir selbst, deren ADHS-Symptome ad hoc durch die Decke gingen, als ich in die Perimenopause schlitterte.
Wir widmen uns in drei weiteren Artikeln 1) den hormonellen Veränderungen in der Perimenopause hin zum finalen Ausbleiben der Monatsblutung – der Menopause -, 2) Ängste und Panikattacken in den Wechseljahren und zudem 3) Depressionen und Stimmungsschwankungen.
ADHS-Symptomatik vs. hormonell bedingte kognitive/emotionale Störungen
In den letzten Jahren rückt ein Phänomen verstärkt ins öffentliche Bewusstsein: Frauen im mittleren Alter berichten vermehrt von Aufmerksamkeits- und Gedächtnisproblemen, die so ausgeprägt sein können, dass sie an eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) denken lassen. Tatsächlich kommt es in der Perimenopause häufig zu “ADHS-ähnlichen” Symptomen – wie Konzentrationsschwäche, Vergesslichkeit, Organisationsproblemen und emotionaler Impulsivität. Gleichzeitig gibt es Frauen, bei denen eine bereits bestehende ADHS durch die hormonellen Veränderungen plötzlich deutlich schlimmer wird. Dies führt zu Verunsicherung und stellt auch Ärzt:innen vor die Herausforderung: Handelt es sich um eine bislang unerkanntes ADHS, das nun zutage tritt, oder “nur” um temporäre hormonbedingte kognitive Störungen, die nach der Menopause wieder nachlassen? In diesem Abschnitt beleuchten wir die Zusammenhänge zwischen den Wechseljahren und ADHS-Symptomen, geben einen Überblick, wie man beide Ursachen differenzieren kann, und betrachten typische Verwechslungsgefahren (z. B. ADHS vs. Östrogenmangel-Effekte).
Auswirkungen der Wechseljahre auf Aufmerksamkeit und Kognition
Zunächst ist festzuhalten, dass kognitive Veränderungen in der Menopause – insbesondere in der Perimenopause – gut dokumentiert sind. Viele Frauen klagen über Gedächtnisprobleme, “vernebeltes Denken” und Schwierigkeiten, den Fokus zu halten. Diese treten häufig gemeinsam mit anderen Wechseljahresbeschwerden auf. Wichtig ist: Solche kognitiven Defizite sind in der Regel leicht bis moderat und vorrangig subjektiv spürbar; formale Neurotests zeigen meist nur milde Beeinträchtigungen, vor allem im verbalen Gedächtnis und der Wortfindung. Dennoch können sie im Alltag erhebliche Frustration verursachen, insbesondere bei Frauen, die zuvor sehr leistungsfähig und organisiert waren.
Nun erinnert genau dieses Symptommuster – Zerstreutheit, Vergesslichkeit, Schwierigkeiten mit Multitasking – stark an die unaufmerksame Präsentation der ADHS. ADHS ist eine neuroentwicklungsgeschichtliche Störung, die meist seit Kindheit besteht, aber bei Frauen oft erst später auffällt, weil Mädchen tendenziell weniger hyperaktiv sind und ihre Defizite besser kompensieren. Tatsächlich mehren sich Berichte, dass Frauen im mittleren Lebensalter erstmals mit der Diagnose ADHS konfrontiert werden, weil in den Wechseljahren ihre bisherige Kompensationsstrategie nicht mehr funktioniert – wie bei mir auch. Ich fand/finde das extrem herausfordernd, nicht nur im Beruf, sondern auch in sozialen Umfeldern.
Warum könnte die Menopause ADHS-Symptome hervorrufen oder verschlimmern?
Die Antwort liegt in der Rolle der Hormone für die Hirnchemie: Östrogen moduliert zahlreiche Neurotransmitter, darunter Dopamin (zentral für Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen), Acetylcholin (wichtig für Gedächtnis) und Serotonin (Stimmungskontrolle). Hohe Östrogenspiegel gehen mit verbesserter Aufmerksamkeit und kognitiver Leistung einher, wohingegen niedrige oder stark schwankende Östrogenspiegel mit kognitiven Defiziten assoziiert sind. Studien zeigen z. B., dass Frauen mit normalem Zyklus im östrogenreichen Zyklusabschnitt (Follikelphase vor dem Eisprung) oft etwas bessere Gedächtnis- und Konzentrationsleistungen zeigen als in der östrogenarmen Phase (späte Lutealphase vor der Periode). Frauen mit ADHS bemerken häufig zyklusabhängige Schwankungen ihrer Symptome – in Tagen niedrigen Östrogens (prämenstruell) sind sie unaufmerksamer und impulsiver. Einige berichten auch, dass ihre ADHS-Medikamente in der hohen Östrogenphase besser wirken als kurz vor der Periode, was sich logisch anhört, da Östrogen die Dopaminwirkung unterstützt.
Übertragen auf die Menopause bedeutet das:
Wenn in der Perimenopause Östrogen und Progesteron Achterbahn fahren und schließlich absinken, kann dies bei allen Frauen “ADHS-artige” Symptome hervorrufen. Plötzlich fällt es schwer, sich zu konzentrieren, man fühlt sich fahrig, vergisst Termine oder wo der Autoschlüssel liegt, man ist mental weniger belastbar – all das sind Folgen der hormonellen Umstellung auf das Gehirn. Tatsächlich beschreiben Betroffene in Umfragen, dass “Gehirnnebel” und Überforderung in ihren 40ern derart zunahmen, dass sie dachten, mit ihrem Gehirn stimme etwas nicht mehr. In einer Umfrage des Online-Magazins ADDitude gaben 70 % der Frauen in ihren 40–50ern an, dass Konzentrationsstörungen und Gedächtnisprobleme in der Menopause einen lebensverändernden negativen Einfluss hatten – im Vergleich zu nur 11 % der Frauen in ihren 20–30ern. Das zeigt, wie stark sich subjektiv die kognitive Leistungsfähigkeit verschlechtern kann.
Neben Konzentration leiden auch Exekutivfunktionen (organisieren, planen, priorisieren). Viele berichten von verstärktem Gefühl der Überforderung – das, was man im ADHS-Jargon “executive dysfunction” nennt (z. B. Schwierigkeiten, Aufgaben zu beginnen oder abzuschließen, Chaos im Zeitmanagement). Selbst die emotionale Impulsivität kann zunehmen – z. B. Ausbrüche von Wut (“Menopause-Rage”) oder schnelleres Frustriertsein, was auch eine Facette von ADHS sein kann.
Eine spannende Zahl aus der ADDitude-Umfrage: Das Durchschnittsalter der ADHS-Diagnose bei Frauen, die sie spät erhielten, war 43 Jahre. Das fällt genau in die perimenopausale Zeit. Zudem gaben die meisten dieser Frauen an, dass neben der Unaufmerksamkeit auch Angst und Panik (73 %) und Depression (64 %) als Begleiterkrankungen diagnostiziert wurden. Dies deckt sich mit dem Bild, dass die Wechseljahre oft eine Vielzahl von Symptomen entfesseln, die zusammen ein komplexes Muster ergeben (Angst, Stimmung, kognitive Dysfunktion), was dann endlich zur richtigen Diagnose (ADHS oder anderes) führt, oder zumindest zu einem Erklärungsmodell.
ADHS oder “nur” Gehirnnebel? – Differenzierungsmerkmale
Die zentrale Frage für viele Frauen und Ärzt:innen lautet final: Handelt es sich bei den Konzentrationsproblemen um eine genuine ADHS, die vielleicht bisher kompensiert wurde? Oder sind es vorübergehende hormonelle Effekte, die keiner ADHS-Diagnose im eigentlichen Sinne entsprechen? Hier einige Anhaltspunkte zur Unterscheidung:
Lebenslanger Verlauf: ADHS ist eine neurobiologische Entwicklungsstörung, die im Kindesalter beginnt (per Definition vor dem 12. Lebensjahr einige Symptome). Betroffene Frauen haben häufig rückblickend schon immer gewisse Merkmale gezeigt, z. B. Träumerei in der Schule, chronische Unordnung im Kinderzimmer, Vergesslichkeit, etc., selbst wenn keine Diagnose gestellt wurde. Hormoneller Brain Fog hingegen tritt de-novo im mittleren Lebensalter auf bei jemandem, der vorher gut organisiert und aufmerksam war. Wichtig: Viele Frauen mit echter ADHS merken es als Kind nicht so stark und fallen vielleicht erst in Ausbildung/Studium auf oder sogar erst im Berufsleben, wenn die Anforderungen steigen – sie hatten aber zumindest milde Ausprägungen immer schon. Das Differenzierungsmerkmal ist also: Wenn absolut nichts in jüngeren Jahren auf ADHS hindeutete (weder selbst noch laut Eltern/Lehrern), spricht das eher für eine hormonbedingte Ursache. Allerdings ist Vorsicht geboten, denn Mädchen wurden früher oft übersehen und manche haben sich enorm angestrengt, ihre Defizite zu überspielen. Daher ist ein gründliches Nachfragen nötig, ggf. mit strukturierten Fragebögen.
Fluktuation und Kontext: Hormonbedingte kognitive Störungen sollten eigentlich parallel mit dem Zyklus/hormonellen Status variieren. In der Perimenopause sind die Hormonschwankungen zwar unregelmäßig, aber man könnte feststellen: An manchen Tagen/Wochen geht es besser, dann wieder schlimmer. ADHS-Symptome hingegen sind relativ chronisch konstant (wenn auch situationsabhängig – in langweiligen Aufgaben schlechter, bei interessanten Themen fokussierter). Wenn aber eine Frau berichtet: “Ich hatte ein paar richtig gute Wochen, da war ich im Kopf klar – dann wieder Nebel”, passt das eher zu hormonellen Schwankungen als zu ADHS, die nicht spontan für Wochen “aussetzt”. In der Praxis kann das jedoch schwer zu beurteilen sein, denn Stress und Schlaf (die ja in den Wechseljahren auch schwanken) beeinflussen ADHS ebenfalls.
Begleitsymptome: Tritt die Konzentrationsstörung zusammen mit typischen Menopausensymptomen auf (Hitzewallungen, Schlaflosigkeit, Stimmungsschwankungen), liegt die Vermutung nahe, dass es damit zusammenhängt. ADHS an sich verursacht keine Hitzewallungen oder Zyklusänderungen; es ist also der Gesamtkontext zu betrachten. Wenn eine Frau z. B. sagt: “Seit meine Perioden unregelmäßig wurden, fühle ich mich auch so fahrig und vergesslich”, dann ist das ein starker Hinweis auf hormonelle Beteiligung.
Familiäre Vorbelastung: ADHS hat eine hohe Erblichkeit. Wenn z. B. eigene Kinder oder Geschwister ADHS haben, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man selbst (bisher unerkannt) ADHS hat. Fehlt jegliche familiäre Spur von ADHS, ist das ein kleiner Hinweis gegen ADHS, aber kein Ausschluss, da es auch spontane Fälle geben kann.
Art der Defizite: Bei ADHS (insbesondere kombinierter Typ) sind meist auch andere Symptome vorhanden, z. B. eine gewisse Impulsivität (voreilig Handeln/Reden, Ungeduld) oder evtl. Hyperaktivität (innere Unruhe, Schwierigkeiten stillzusitzen, ständiger Drang produktiv zu sein). Wenn das gar nicht zutrifft und es wirklich nur um Gedächtnislücken und Konzentration geht, könnte es eher allgemeiner Gehirnnebel sein. Allerdings gibt es den rein unaufmerksamen ADHS-Typ, der keine Hyperaktivität zeigt. Da wären primär kognitive Symptome – also hier ist Vorsicht geboten: Viele Frauen mit ADHS sind vom unaufmerksamen Subtyp, was genau mit “Träumerchen” und “verpeilt” beschrieben wird, ohne hyperaktiv zu sein. Also das Fehlen von Hyperaktivität schließt ADHS nicht aus.
Letztlich kann oft nur eine fachärztliche Diagnostik (z. B. durch einen Psychiater oder klinischen Psychologen) Klarheit bringen. Das beinhaltet meist ausführliche Interviews zur Lebensgeschichte, ADHS-Symptom-Fragebögen, manchmal auch neuropsychologische Tests und den Einbezug von Fremdanamnesen (z. B. Eltern, Partner). Für Frauen um die 50, die auf einmal ADHS-Symptome zeigen, empfehlen Expert:innen eine sorgfältige zweigleisige Betrachtung: Sowohl eine ADHS-Diagnose prüfen, als auch die hormonelle Situation analysieren.
Wechselspiel: Menopause enthüllt oft erst ein bisher maskiertes ADHS – und wirkt verstärkend
Interessanterweise berichten viele, die erst spät mit ADHS diagnostiziert werden, dass sie ihr Leben lang Strategien entwickelt hatten, um mit ihren milden Symptomen zurechtzukommen, aber in den Wechseljahren “ging es einfach nicht mehr”. Eine Frau aus der ADDitude-Umfrage schrieb: “Ich war immer gut im Maskieren und habe mich mein Leben lang zusammengerissen. Doch in meinen späten 40ern konnte ich es nicht mehr kompensieren – alles wurde mir zu viel, die alten Tricks zogen nicht mehr”. Das zeigt: Oft koexistierten ADHS und hormonelle Veränderungen, aber erst die Hormonumstellung brachte das Fass zum Überlaufen.
Die Menopause kann also wie eine Lupe wirken, die ein bestehendes ADHS vergrößert. Unter ausreichend Östrogen mag das Gehirn einer Frau mit ADHS vielleicht gerade noch genug Dopaminaktivität gehabt haben, um den Alltag zu managen – fällt das Östrogen weg, sackt die Dopaminlage ab und die ADHS-Symptome manifestieren sich voll. Darum wird ADHS bei vielen Frauen erst in ihren Vierzigern erkannt, oft nach Jahren des Selbstzweifels (“Warum werde ich so vergesslich? Werde ich dement?”).
Es gibt Studien, die vermuten lassen, dass bis zu 50–75 % der Mädchen und Frauen mit ADHS unerkannt bleiben. Dementsprechend gibt es viele unerkannte ADHS-lerinnen, bis ein auslösendes Moment sie in Behandlung führt. Die Menopause scheint für viele dieses Moment zu sein. Ein Review von 2018 schätzte, dass hormonelle Veränderungen die Symptome bei Frauen mit ADHS drastisch beeinflussen und daher oft erst dann die Diagnose gestellt wird.
Umgekehrt gibt es auch den Fall, dass Frauen ohne ADHS in den Wechseljahren denken, sie hätten jetzt ADHS. Hier ist Aufklärung wichtig: ADHS “entsteht” nicht erst mit 50, und wenn keinerlei Hinweise in der Vorgeschichte da sind, sind die Konzentrationsprobleme meist Folge der Wechseljahre. In solchen Fällen kann es ungünstig sein, vorschnell eine ADHS-Diagnose zu vergeben – die Behandlung wäre ja unterschiedlich.
Behandlung und Umgang: Hormone vs. ADHS-Medikamente
Ob es sich nun um ADHS oder hormonellen Brain Fog handelt – beides erfordert Unterstützung. Typische Ansätze sind:
Hormonersatztherapie (HRT): Es gibt Hinweise (vor allem anekdotisch, aber auch biochemisch begründet), dass Östrogen-Therapie kognitive Symptome lindern kann. Manche Frauen berichten, dass sie mit einem Östrogenpflaster oder -gel “ihr Gehirn zurückbekamen”. In einer kleinen Studie verbesserten sich exekutive Funktionen bei perimenopausalen Frauen unter transdermalem Estradiol. Insbesondere wenn eine Frau kein lebenslanges ADHS hat, sondern nur in den Wechseljahren diese Probleme, könnte eine zeitlich begrenzte HRT eine Option sein, sofern keine Kontraindikationen bestehen. Auch Progesteron (z. B. in Form von bioidentischem Progesteron am Abend) kann indirekt helfen, indem es den Schlaf verbessert und die innere Unruhe dämpft.
Stimulanzien/ADHS-Medikamente: Überraschenderweise wird inzwischen auch der umgekehrte Weg diskutiert: ADHS-Medikamente zur Behandlung von Menopause-Beschwerden. Harvard-Ärzte stellten die Frage, ob Stimulanzien bei Frauen ohne ADHS, aber mit kognitivem Menopause-Syndrom, hilfreich sein könnten. Der Gedanke dahinter: Wenn eine Frau massiv unter Brain Fog und Antriebslosigkeit leidet, könnte ein niedrige Dosis Fokus und Stimmung heben. Erste kleine Versuche sind da, aber es ist kein Standard. Für Frauen mit echter ADHS gilt natürlich: Die Menopause-Phase erfordert oft eine Anpassung der ADHS-Medikation. Einige brauchen höhere Dosen oder andere Präparate, da die bisherige Medikation nicht mehr “reicht” – vermutlich weil weniger körpereigenes Östrogen die Wirkung potenziert. Manche Frauen stellen fest, dass sie erstmals ADHS-Medikamente benötigen, wohingegen sie vorher ohne ausgekommen sind.
Nicht-medikamentöse Strategien: Strukturelle Hilfen sind Gold wert: Kalender, Apps, Erinnerungen, To-Do-Listen – das ganze Repertoire an Organisationstools hilft sowohl ADHSlern als auch “Brain Fog”-Geplagten. Routinen können entlasten, um weniger improvisieren zu müssen. Offenes Kommunizieren im Umfeld, dass man gerade etwas “zerstreut” ist (ohne sich zu schämen), kann den Druck mindern. Und – wie immer – Schlaf, Bewegung, Ernährung beeinflussen die geistige Leistungsfähigkeit stark. Omega-3-Fettsäuren und eine mediterrane Kost werden z. B. mit besserer Kognition in Verbindung gebracht.
Coaching und Therapie: Für ADHS-Patientinnen kann ein ADHS-Coaching oder Verhaltenstherapie helfen, kompensatorische Skills zu erlernen. Aber auch Frauen ohne ADHS-Diagnose können profitieren, wenn sie Techniken übernehmen, die ADHSlern helfen (Zeitmanagement-Trainings, Aufmerksamkeitsübungen etc.). Zudem schlagen Experten vor, dass Selbstmitgefühl wichtig ist: sich bewusst machen, dass das Gehirn gerade eine hormonelle Umstellung durchläuft und man sich Fehltritte vergeben darf, anstatt sich fertig zu machen, warum man plötzlich so “unfähig” sei.
Ein Aspekt der Verwechslung verdient besondere Erwähnung: ADHS und Wechseljahre vs. Demenzangst. Manche Frauen interpretieren ihre kognitiven Probleme als Beginn von Demenz (Alzheimer). Das kann zu enormer Angst führen. Hier gilt es aufzuklären: Vergesslichkeit und Konzentrationsmängel in den Wechseljahren sind nicht gleichbedeutend mit beginnender Demenz. Typischerweise betreffen sie das Kurzzeitgedächtnis (Wo hab ich die Schlüssel hingelegt?) und die Wortfindung, aber nicht das tiefe Orientierungswissen oder die Persönlichkeit. Und wie bereits erwähnt, sind diese Defizite meist reversibel bzw. stabilisieren sich nach der Menopause. Alzheimer hingegen verschlechtert sich stetig. Wenn die Sorge allerdings sehr groß ist, sollte man ärztlich Rücksprache halten – manchmal kann ein Demenztest oder eine neurologische Untersuchung, die unauffällig ist, ungemein beruhigen.
Fazit: ADHS-Symptome ernst nehmen, aber den Kontext berücksichtigen
Abschließend lässt sich sagen: Kognitive und aufmerksamkeitstechnische Probleme in den Wechseljahren sind real und können das Leben stark beeinträchtigen. Sie sollten nicht einfach als “normales Altern” abgetan werden. Gleichzeitig muss man differenzieren zwischen einer zugrundeliegenden ADHS und vorübergehenden hormonellen Effekten. Oft ist es ein Zusammenspiel. Wichtig für betroffene Frauen ist, dass sie jede nötige Hilfe in Anspruch nehmen dürfen – sei es hormonell, medikamentös oder therapeutisch. Es geht nicht darum, eine “Mode-Diagnose” ADHS zu stellen, sondern den Leidensdruck zu lindern und die Funktionsfähigkeit zu erhalten.
Für Frauen, die tatsächlich ADHS haben, kann die richtige Diagnose im mittleren Alter sogar äußerst befreiend sein: Endlich versteht man, warum man sein Leben lang vielleicht etwas anders tickte, und kann gezielt Unterstützung suchen. Für jene ohne ADHS dürfte es tröstlich sein zu erfahren, dass die momentanen Defizite nicht der neue Dauerzustand sein müssen, sondern häufig nach der hormonellen Umstellung wieder besser werden. Bis dahin hilft pragmatisches Management und ggf. zeitweilige Behandlung.
Zu den Verwechslungsgefahren zählt vor allem, ADHS-Symptome als bloße Folge des Östrogenmangels abzutun, obwohl eine echte ADHS dahinter steckt – oder umgekehrt, vorschnell ADHS zu diagnostizieren und zu medikamentieren, wenn eigentlich das Hauptproblem die Menopause ist. Die Balance findet man idealerweise in einer interdisziplinären Betreuung, wo Gynäkolog:innen und Psychiater:innen zusammenarbeiten. Leider ist das in der Praxis selten, so dass Frauen oft selbst zu ihren “Detektivinnen” werden müssen, um herauszufinden, was los ist.
Die folgenden Artikel wenden sich spezifisch weiteren Aspekten zu: woran du
- 1) hormonell bedingte Ängste erkennst
- 2) was mit deinem Körper und deiner Psyche durch die neue hormonelle Situation geschieht
- 3) hormonell bedingte Depressionen und Stimmungsschwankungen.
Herzlichst,
Janett Menzel
Fachliterarische Quellen:
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