Woher die Angst vor dem Alleinsein kommt & was sich dahinter verbirgt

 

Was verbirgt sich hinter der Angst vor dem Alleinsein? Viele fühlen Angst und Trauer nicht, weil sie allein sind, sondern weil sie interpretieren: Ich werde/wurde allein gelassen. (z. B. in einer Beziehung). Das bedeutet: Man erlebt das Verlustgefühl, als opferbewusstes, schuldbewusstes, passives Ereignis von außen kommend und durch Fremdeinwirken verursacht. Grund sei man selbst und etwas „Falsches“, das man getan hat.

Doch woher kommt die Angst wirklich und was versucht sie, zu vermeiden? Was verbirgt sich hinter der Angst vor Einsamkeit?

 

Was sich hinter der Angst vor dem Alleinsein und Einsamkeit verbirgt

was steckt hinter der angst vor einsamkeit?Es gibt viele Ursachen für Einsamkeit und die Angst vor dem Alleinsein. Alle gehen mit Kontrollverlust einher und dem Verlust dessen, was Sicherheit gibt. Das löst verständlicherweise Angst aus, weil Lösungen fehlen. Oft werden diese Lösungen aber mit anderen Menschen gleichgesetzt, sodass andere – statt man selbst – zur Lösung werden, z. B. indem sie Halt und Geborgenheit versprechen, Unterhaltung (Reize, Erfahrungen, Austausch) und somit dem eigenen Leben eine Struktur geben. Vielen fehlt in Zeiten allein auch Anerkennung, die wir alle brauchen, um uns gut und gewollt zu fühlen.

Es gibt darüber hinaus typische Angstmuster sind, die mit der Angst vor dem Alleinsein einhergehen:

Die Angst, unbeschäftigt zu sein: Man weiß Langeweile nicht zu füllen, fühlt sich nicht von anderen beschäftigt (und/oder giert nach Aufmerksamkeit) oder man hat Angst, sich mit sich beschäftigen zu müssen, statt mit anderen.

Angst, den Halt zu verlieren, wenn keine Menschen in der Nähe sind: Man spürt auch im Allgemeinen keinen Halt in und durch sich.

Angst davor, zurückgelassen zu werden: Man fürchtet um sich, wenn man allein ist, vertraut anderen Menschen nur schwer, fühlt sich in der Welt nicht aufgehoben und nicht sicher, hat das Gefühl, unwichtig zu sein oder spürt gar Todesangst.

Angst durch die Kindheit und Trennung von Eltern und/oder Bezugspersonen: Erinnerungen an die kindliche Existenzangst lösen dieselben, früheren Gefühle aus. Man hat ein fehlendes Urvertrauen und meint, keine Kraft zu haben. Die eigene Wichtigkeit und den Wert, den man (auch für andere Menschen) hat, erkennt man nur schwer: Hier dreht es sich viel um fehlende Selbstständigkeit, unterbrochene Ich-Werdung in der Kindheit, häufige Rücksichtnahme auf andere Personen, Zwang, Kind-bleiben-Müssen, Kontrolle durch andere Personen.

Angst, in seiner Bedürftigkeit und Schwäche erkannt zu werden: Damit verbunden sind besonders Gedanken um die Gedanken anderer Personen, mögliche Abwertungen und Kritik, Fremdscham und/oder bemitleidet zu werden, was die eigenen Gefühle verstärkt. Diese Gedankengänge veranlassen Menschen dazu, sich bei Aktivitäten (im Kino, Café, Restaurant usw.) weniger allein zu zeigen, aus Angst, dass andere über sie urteilen. Anerkennung von außen nährt den Selbstwert; man nimmt sich nur an, wenn andere einen annehmen, liebt sich nur, wenn eine tadellose, heile Welt da zu sein scheint und gezeigt werden kann, die (illusionistische) heile Welt der Kindheit, die Sicherheit, die aufrechterhalten wird, wenn man bei und mit anderen Menschen zusammen sein darf.

 

Freiwillige Isolation als Waffe gegen die Angst, wieder allein gelassen zu werden

aus angst verlassen zu werden lieber allein bleibenEs erscheint paradox: Bei Menschen, die durch diese Angst vor dem Alleinsein freiwillig eine Isolation eingehen, weil sie sich verraten oder verlassen, durch ihre Eigenverantwortung bedroht oder eingeengt fühlen, sieht man oft das Gegenteil. Sie sind lieber allein als erneut die Gefahr, sich einsam zu fühlen, zu erleben. Sie verlassen andere und fühlen sich nur noch in ihren vier Wänden gut aufgehoben, dort, wo die Illusion, drinnen sei man sicherer, aufrechterhalten werden kann. Sie haben in ihrer Kindheit vielleicht Verlustgefühle draußen erlebt (plötzlich war die Mama weg, nicht mehr zu sehen), oder aber sie waren allgemein oft allein und haben Zuhause gewartet, dass die Eltern von der Arbeit kamen. Sie suchen insgeheim wieder die heile Welt von damals.

Da wir nun aber erwachsen sind und keinerlei Abhängigkeit mehr zu unseren Eltern besteht, wir nicht mehr mit unseren Eltern zusammenwohnen, brauchen viele Menschen einen Ersatz, um diesen Konflikt von damals zu lösen. Zum Beispiel Partner oder die Arbeit. Diese agieren dann lediglich ersatzweise, anstelle der Bezugspersonen, von denen wir uns damals verlassen fühlten oder die uns (emotional, lokal oder physisch) verließen. Einsamkeit wird daher als gefährliche, diffuse Unabhängigkeit, plötzliches und ungewolltes Erwachsenwerden, Auf-sich-gestellt-sein gedeutet, als würde die Mama zu ihrem Kind sagen: So, ich bin dann mal weg! Sieh zu, wie du zurechtkommst.

Die ganz menschliche Verlustangst, auch in vielen Fällen in Verbindung mit der Angst, nicht gebraucht zu werden, keinen Wert für einen bestimmten Menschen zu haben, macht sein Weiteres. Kein Wunder, dass viele Menschen, die unter der Angst vor dem Alleinsein leiden, häufig einen Übersprung der Angst erleben: hin zu Panikattacken, hin zu sozialer Phobie, hin zu generalisierter Angst, Agoraphobie oder Depressionen. Die Angst ist dann der Schutz, den Übergang vom Abhängigen zum Unabhängigen hinauszuschieben, weil innerlich das Kind oder der Jugendliche sitzt und wartet oder Beschäftigung und Aufmerksamkeit wünscht. Man wartet auf die Liebe und Zuneigung. Gleichzeitig aber zeigt die Angst erneut, dass dieses Verhaltensschema, das spielerische Ausprobieren und Erfahrungen sammeln, wie Kinder es tun, jetzt in Gang gesetzt werden darf. Es ist hier wie der Geburtsschmerz, die Enge und die Angst beim Übergang von der einen heilen Welt in die äußere, ungewisse Welt, um dort Vertrauen und Sicherheit neu zu lernen.

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In meinem Buch “Über die Kunst, allein zu sein” habe ich weitere interessante Hintergründe und viele (um genau zu sein 55) Strategien zusammengestellt, wie man sich in Zeiten der Einsamkeit und des Alleinseins wappnen kann. Es ist als E-Book und als Taschenbuch erhältlich.

 

Coach für Frauen und Männer bei Ängsten

Janett Menzel

Mentorin | Life & Love Design

Schattenarbeiterin, Expertin für Bindungsangst und Kommunikation in Partnerschaften, Emanzipationswunden, transgenerationale Muster, Wer bin ich? Wer will ich sein?, Mutter- und Vaterwunden, Hochbegabung – Hochempathie – Kreativität & Angst. Anfragen und Beratungen >>

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4 Kommentare

  1. Liebe Jeanett,
    Ich habe Tränen in den Augen weil jeder Satz so stimmig ist und ich mich komplett wieder erkenne…zu 100 Prozent..und es mir gerade gut tut und ich erstaunt bin das jemand etwas schreiben kann das ich fühle…ich dachte seit 25 Jahren…jetzt bin ich 42 das nur ich mich so anstelle und so fühle…
    Ich bin in einem Mietshaus aufgewachsen in dem 5 Wohnungen waren…Alles Familienangehörige…nach und nach sind alle ausgezogen und meine Großeltern verstorben…seit ich 13 bin hab ich mir in dem Haus eine 2 Zimmerwohnung mit meinem Bruder 15 geteilt weil in der Wohnung meiner Eltern zu klein wurde…Als ich 17 war sind dann meine Eltern ausgezogen und mein Bruder und ich konnten nicht mit…dann bin ich mit meinem jetzigen Mann zusammengezogen und da fühle ich diese Abhängigkeit…bin früh Mama geworden und heute ist unsere Tochter 22 und schaut sich eine Wohnung an….

    Ich möchte hier nicht jammern denn ich bin eine sehr spirituelle Person und arbeite auch spirituell deshalb kann ich auch vieles verstehen…

    Aber nach deinem Artikel hier fühle ich mich verstanden…und stehe mir es das erstemal selber zu das es wirklich Gründe gibt…und ich nicht schuld bin…es gibt Gründe das ich mich so fühle und ich bin richtig weil es normal ist nach diesen Erlebnissen…
    Alle die ich liebte sind gegangen..

    Dafür danke ich dir von Herzen das du das hier geschrieben hast…
    Damit hilfst du mir sehr…

    Herzumarmung
    Bianka Lindinger

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    • Das allerschönste hier zu der Antwort war grad zu lesen das man nicht schuld trägt. Ich werde so oft kritisiert oder missverstanden und alle die mur helfen mich eher nur des Besseren bekehren wollen.
      Nach diesem Artikel fühle ich mich endlich verstanden. Und muss dies selbst erstmal verdauen. Was nicht leicht ist. Aber weiß auch zu lernen mich selbst anzunehmen u zu akzeptieren und vorallem mir selbst zu genügen.

      Vielen Dank und alles erdenklich Gute

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    • Das kann ich auch so bestätigen. Ich bin nicht allein, aber ich habe Angst vor der Zukunft. Meine ganze Familie ist schon verstorben, ich bin 72 und fürchte für meinen Mann und mich, dass einer allein übrig bleibt. Stiefkind und Enkel verschwinden immer wieder für Jahre, denen bedeuten wir nichts. Das geht bei mir auch bis zur Panik.

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  2. Hallo Zusamamen,

    ich lese gerade diesen Block, weil mich die Frage beschäftigte, “warum hat man eigentlich Angst und wie entsteht sie.
    Ich bin ein Mann, jetzt 72 Jahre und lebe seit 4 Jahrsen getrennt. Meine Frau und ich sind gläubig und der Glaube spielt eine
    große Rolle. Bei mir sind es “Verlustängste” meine Frau zu verlieren, die nicht neben einem Mann leben kann, auch in ihrer ersten Ehe nicht.
    Wir sind bald 20 Jahre verheiratet und alles in mir schreit nach “Klärung”. Und das ist schmerzhaft, weil es bis in die Kindheit.
    Viele Dinge weiß ich heute, bin geprägt worden von anderen Sachen, bedingungslos geliebt von Gott, bin für viele Dinge nicht verantwortlich und halte es im Augenblick aus, weil es dazu gehört um heil zu werden und ich weiß, das alles gut wird.
    Ich werde mir dieses Buch kaufen um vielleicht das eine oder andere besser zu verstehen.
    Herlichen Dank.

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